Peter Maffay im Interview

Erst vor drei Tagen erschien das neue Album von Peter Maffay „Jetzt!“. Dafür stand er einen Tag vor seinem Geburtstag mit seinem neuen Album in Berlin auf der Bühne und begeisterte tausende von Fans. Mit 14 neuen Songs ist es Maffays erstes Studioalbum seit fünf Jahren. Bevor er heute in Erfurt eine Autogrammstunde gibt, haben wir ihn zu seinem neuen Album und seiner Tour ein paar Fragen gestellt!
 
LandesWelle: Nochmals herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag. Sie sind 70 geworden, wie alt fühlen sie sich tatsächlich? 

Peter Maffay: Das ist schwer zu sagen, weil ich nicht weiß, wie ein 70-Jähriger sich zu fühlen hat. Ich komme nicht sehr dazu mich mit diesem Alter lange zu beschäftigen und möglicherweise schiebe ich das auch ein bisschen vor mir weg. Wir haben ein neues Album herausgebracht, gehen auf Tour und sammeln Eindrücke, geben Interviews in Fernsehsendungen, Autogrammstunden Dinge dieser Art, Proben zu der Tour im Januar kommenden Jahres. Das alles wird sehr schnell, denke ich, vorbei gehen. Dann gibt es eine Menge private Dinge. Ich bin ja Papa einer kleinen Tochter. Da tut sich so einiges.

LandesWelle: Sie springen ja auch immer sehr leichtfüßig über die Bühne.

Peter Maffay: Nein aber um mich herum habe ich zum Teil auch sehr junge Leute, mit denen ich Musik machen darf und kann und das ist schon auch sehr motivierend. Alle anderen Kollegen mit denen ich ziemlich lange jetzt schon zusammen bin der Band, die sind auch gut bei der Sache, also da tut jeder ein bisschen was für sich. Auf der Bühne zwei bis drei Stunden zu spielen, das geht nur, wenn man auch ein wenig auf sich acht gibt. Aber es macht auch Spaß, Sport ist etwas Gutes.


LandesWelle: Wie muss man sich das bei Ihnen am Morgen vorstellen?

Peter Maffay: Das ist sehr unterschiedlich. Wenn ich unterwegs bin, da kann ich nicht im Hotelzimmer herumtoben, aber ich habe meine Hanteln das ist gut für die Koordination und für die Finger. Wenn ich zu Hause bin und das Wetter entsprechend ist, packe ich Mountainbike aus und dann fahre ich morgens eine kleine Runde von zwölf Kilometer und dann kann der Tag beginnen.

LandesWelle: Was ist so die normale Songschreibezeit, wann kommen einem die Ideen?

Peter Maffay: Ich suche mir eine ruhige Zeit aus. Nachts, spät abends, wenn alle schlafen und man das Gefühl hat, das die innere Ruhe eingekehrt ist. Geht aber auch mal tagsüber. Songs zu schreiben ist selten eine Sache des Zufalls. Kennt man von Leuten die Bücher schreiben, die sich dann ganz fest und diszipliniert vornehmen am Tag so und so viele Seiten zu schreiben, um einfach in diesem Modus reinzukommen, das ist bei Musik nicht viel anderes. Ich habe oft festgestellt, wenn ich anfange mich an ein neues Album ranzumachen, Musik zu schreiben, dann sind die ersten 2-3 Tage schrecklich, da passiert nichts und manchmal eine ganze Woche nicht. Dann schön langsam kriegt man aus dem Loch raus und fängt an kreativ zu sein. Es ist oft eine Frage der Selbstanalyse: Wo stehe ich, warum mache ich etwas, was will ich. All diese Fragen führen dann zu dem Ergebnis eines Liedes.


LandesWelle: Und herausgekommen sind dann solche Lieder wie „Jetzt!“ Einer der beliebtesten Songs unserer Hörer momentan.  

Peter Maffay: Das ist ein geiler Song. Wir haben den jetzt ein paar Mal auf der Bühne austoben dürfen. Johannes Oerding hat einen treffenden Text gemacht zu mehreren Liedern aber auch eben zuletzt. Den spiele ich sehr gerne.

LandesWelle: So eine Nummer habe ich tatsächlich nicht erwartet!

Peter Maffay: An das Jubiläumsalbum hätte man sehr unterschiedlich ran gehen können. Es ist völlig legitim ein Remakes von Songs zu präsentieren, aber wir hatten einfach Bock auf ein neues Album. Irgendwie stellte sich dann die Lust auf was Neues ein. Dann haben wir uns hingesetzt und gesagt, Vergangenheit ist erledigt, die Zukunft wissen wir noch nicht. Also worüber reden wir: übers jetzt!

LandesWelle: Zu „100.000 Stunden“ muss ich sagen, er ist mir sofort im Ohr geblieben. „Morgen“ dagegen haut nochmal so richtig drauf.

Peter Maffay:  „Morgen“ ist mit Sicherheit der heftigste Song auf dem Album. Mit dem Song wollten wir ein bisschen zeigen, wo wir stehen, welches so Brennpunkte sind in unserer Wahrnehmung. Herausgekommen ist ein ziemlich heftiges Video mit Bildern der Realität, also keine angefertigten Bilder, sondern das ist ein Bruchteil dessen, was wir jeden Tag aus den Medien entnehmen können. Das sind Themen die uns aus politischer, gesellschaftlicher und geologischer Hinsicht. Das ist heftig, aber das ist die Wirklichkeit. Wenn wir etwas dagegen tun wollen, dann jetzt, dann darf man nicht mehr lange warten.

LandesWelle: Haben Künstler und Künstlerinnen die Möglichkeit die Meinungsbildung mitzubestimmen?

Peter Maffay: Durch Konfrontation entsteht Meinungsbildung und sie haben nun mal in einer Demokratie zu respektieren, dass jeder im Prinzip seine Meinung, solange er demokratische Spielregeln nicht verletzt, äußern darf. Also auch diese Reaktion ist demokratisch. Wir werden es mehr und mehr mit solchen Situationen zu tun haben, weil auch Menschen unterschiedlich betroffen sind von Auswirkungen politischer Entscheidungen und daher aus unterschiedlichen Standpunkten urteilen. Was uns bleibt, ist das Argument, das Wort. Mit diesem können wir überzeugen, Meinungen bilden. Die Frage war ja, bringt es etwas, das von der Bühne zu tun. Ich glaube auf jeden Fall. Und wenn es zunächst nur aufzeigt, dass es eine Konflikt gibt. Über diesen Konflikt sich zu unterhalten, zu einem Konsens versuchen zu kommen und dass ich die Turnübung die nicht leicht ist. Aber jede Radikalisierung, also nicht nur die Rechte, sondern auch die Linke, das sind alles Zeichen für Spannungen in unserer Gesellschaft. Ich glaube, unsere Gesellschaft besitzt die Kraft, mit solchen Dingen fertig zu werden.

LandesWelle: Anderes Thema: Jetzt hatten Sie ja nicht nur das 70 Jährige Geburtstagsjubiläum, sondern auch das 50 jährige Bühnenjubiläum. Alles Revue passieren lassen, ist sicherlich unmöglich. Was sind die Momente, die einen in den Kopf kommen? 

Peter Maffay: Ich bin ein weitestgehend positiver Mensch. Pessimismus ist für mich keine Alternative. Insofern bewahre ich mir in der Erinnerung lieber die schönen Augenblicke und nicht so sehr die weniger Guten. Aber die gibt es natürlich auch. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann ist es wirklich so mit einem Publikum im Saal, wenn 99 von ihnen bleiben und einer geht, dann konzentriert man sich auf den einen und fragt sich, warum dieser geht. Dieser Ehrgeiz, das gebe ich gern zu, steckt auch in mir. Es gab immer enorm schöne Augenblicke und es gab auch ein paar Ohrfeigen.

LandesWelle: Die Rolling Stones Geschichte zum Beispiel?

Peter Maffay: Im Übrigen ein enormes Lehrstück. Da haben wir wirklich kapiert, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen und man nicht einfach so auf die Bühne geht und etwas aus dem Ärmel herausschüttelt, schon gar nicht als Vorband einer solchen bekannten Gruppe. Das war fehlerhaft, was ich da mitentschieden habe. Manchmal braucht man so was aber auch, um wieder auf den Boden zurückzukehren.

LandesWelle: Es ist völlig legitim, dass es auch Künstler gibt, die auch komplett abheben.

Peter Maffay: Es ist nicht schwer, den Boden unter den Füssen zu verlieren, gerade bei der Geschwindigkeit und dem Druck. Erinnern wir uns an solche Beispiele wie Elvis, der am Ende einfach ferngesteuert war und am Ende an diesem Druck kaputt gegangen ist. Also solange dabei zu sein und irgendwie das alles zu überstehen bedeutet ja immer auch dass man Leute um sich herum hat die auch mal die Klappe aufreißen und sagen, pass mal auf jetzt fängst du aber an schräg zu werden.

LandesWelle: Wer erdet Sie, welche Personen sind das?

Peter Maffay: Nehmen wir mal die Band. Wir sind jetzt seit Jahrzehnten zusammen. Das ist jetzt nicht mehr nur eine Truppe, die Musik macht, sondern ist eine Lebensgemeinschaft. Da spielen jetzt schon die Söhne und Töchter mit. Dann gibt es eine ganze Reihe von Leuten, mit denen man permanent zusammen arbeitet sie nicht so sehr in Erscheinung treten, weil sie mehr im Hintergrund arbeiten. Mit meinem ältesten Partner arbeite ich seit 1970 zusammen. Wir haben also den Großteil unseres Lebens gelebt, verlebt, Höhen und Tiefe mitgemacht. Und ich steh auf diese Kontinuität. Es ist wie auf einer kleinen Burg, in die man sich mal zurückziehen kann, wenn es heftig wird. Das ist auch der Grund, warum man am Ende wert legt auf eine gewisse Normalität. Ich bin nicht Musiker geworden, um auf einem Sockel zu stehen.

LandesWelle: Welche Musik hören Sie so privat? Die meisten Musiker sagen ja immer, dass sie alle anderen hören, nur ihre eigene nicht!

Peter Maffay: Das mit den eigenen Songs ist nicht wirklich verwunderlich. Bis so ein Song im Kasten ist. Man schreibt ihn, man bearbeitet ihn, man übt ihn, man nimmt ihn auf, man muss sich ihn erarbeiten, da es oft auf Anhieb nicht klappt. Es ist nicht außergewöhnlich, dass man einen Song vielleicht 2.000 hört, bevor er wirklich fertig ist. Und dann hat man eigentlich die Schnauze voll. Aber wenn die Songs gut sind und man anfängt zu proben, dann hört man sich das auch schon mal an. Da ich am Wochenende auch spiele, höre ich mir die Songs 1x am Tag an, damit ich die Texte nicht vergesse. Ich höre sonst gern gitarrenbetonte Musik, das ist einfach mein Instrument. Ich höre aber auch gern junge alternative Sachen, man Gitarre sehr unterschiedlich spielen. Ich bin aber auch nach wie vor glühender Verehrer von Angus Young und wenn die Autobahn stimmt und das Auto auch, dann findet es bei mir immer regelmäßig statt.  Man glaubt immer, dass so eine Gitarre nach so einer Zeit ausgespielt ist. Das stimmt aber nicht. Das ist wie mit der Tonleiter, die Zusammensetzung die macht es.  

LandesWelle: Gibt es eigene Lieblingssongs?

Peter Maffay: Also „Du“ strahlt deswegen heraus, weil es eine unglaubliche Polarisierung zur Folge hatte. Jetzt mit Abstand von 50 Jahren kann man das humorvoll betrachten. Ich habe das ja auf der MTV Tour erleben dürfen. Der Titel ging jeden Abend mit am besten ab. Obwohl auch die rockigen Sachen natürlich gefragt waren und gerade bei der Besetzung Johannes Oerding, Philipp Poisel und und Katie Melua gab es ja viele Fans, die die diese Musik sehr schön fanden. „Eiszeit“ ist ein Song, der heute wieder viel mehr Gültigkeit hat, leider, als man sich wünscht, weil es mehr Staaten gibt als in den 80er Jahren, die sich atomar aufrüsten. Dann gibt es „7 Brücken“, welches wir gecovert haben, welches zu einem großen Hit wurde, steht für die Wiedervereinigung außer meiner Interpretation. Da gibt es so einige Lieder, die diese Qualität besitzen, die man dann in verschiedensten Versionen mit verschiedensten Partnern gespielt hat. Es kam etwas ganz Entscheidendes heraus. Am Ende heißt es “Was erzähle ich unseren Kindern wenn wir, wenn wir nicht etwas dagegen tun“, gegen diesen atomaren Wahnsinn und diese Lieder die haben keinen, laut Udo Lindenberg, sag kein Verfallsdatum.

LandesWelle: Wenn mit 66 Jahren das Leben erst anfängt, dann sind sie ja jetzt erst 4. Was kommt also in ihrem Leben jetzt alles auf Sie zu?

Peter Maffay: Das weiß ich nicht. Unsere unser Album fängt mit 1000 Wege an und hört mit 1000 Wege auf. Warum? Weil wir das „Jetzt“ damit erklären wollten. Klingt ein bisschen kompliziert ist es aber nicht. Um im „Jetzt“ zu landen, braucht man „1000 Wege“ und wenn das „Jetzt“ erledigt ist, die Gegenwart, und wie uns in die Zukunft hinein bewegen, dann beginnen wieder „1000 Wege“ und keiner weiß wie die aussehen. Ich auch nicht. Deswegen glaube ich, dass das ziemlich viel mit Experiment zu tun hat. Da gibt es viele Möglichkeiten sich in der Musik auszutoben. Wir haben vor Jahren etwas gemacht, was viel Spaß gemacht hat. „Begegnungen“ hieß dieses Projekt. Da spielten wir mit Künstlern auf der ganzen Welt zusammen unter einem gewissen Motto. Einmal gegen Fremdenhass, gegen all diejenigen, die Religionskonflikte für sich ausnutzen und Unterschiede zwischen Hautfarben machen. Einst war ich mit den Aborigines in Australien, zusammen mit Indianern in South Dakota, ich war in Afghanistan, auf der ganzen Welt, um Leute zu besuchen, die schöne Musik machen, um zu zeigen, dass zusammen Musik zu machen, einfach etwas Schönes und sinnvolles ist. Mit einer türkischen Rapperband haben wir grandios Musik gemacht. Dann gab es noch Begegnungen, und zwar „eine Allianz für Kinder“ hieß dieses Album. Wieder mit Künstlern auf der ganzen Welt zusammengearbeitet, die eigene Organisation betreiben. Ich habe die besucht. Wir haben mit den zusammen gelebt, wir haben Musik gemacht und ich hatte die Chance, ein bisschen in deren Leben reingucken zu dürfen. Solche Sachen kann ich mir in Zukunft sehr gut vorstellen. Dann kommt natürlich unsere Stiftung mit vier Einrichtungen für traumatisierte Kinder dazu. Bis zu 2000 Kinder, die uns jedes Jahr besuchen und die Ferienzeit uns verbringen und auch mit ihnen kann man Musik machen.

LandesWelle: Abschließende Frage: Sind Sie eher der Typ Rolling Stone, der nie in Rente gehen will oder der Typ Tina Turner, ab jetzt mache ich nichts mehr?

Peter Maffay: Das ist leicht zu beantworten. Es gibt einen Satz im Rock 'n' Roll „I live hard, die fast.“ Also lebe dich aus und wenn die Kurve kommt, dann kratze sie so schnell du kannst. Ich würde mich aus dem Musikleben nur zurückziehen, wenn ich an mir selber feststellen müsste, dass das Feuerwerk ist und die Lust weg ist, Musik zu machen. Ich würde das nur tun, wenn mich eine Krankheit hindern würde, diesen Beruf richtig auszuführen. Ansonsten gibt es nichts, was mich dazu bewegen könnte. Außer, wenn die Leute, mit Verlaub gesagt, die Schnauze von mir voll hätten, dann, und ich das hoffentlich erkennen würde, dann würde ich aufhören. Aber solange das nicht der Fall ist, gibt es keinen Grund. Dann quäle ich mich lieber ein bisschen und sehe zu, dass ich fit bleibe, um spielen zu können. Es ist ein wunderschöner Beruf, von dem ich nie hätte ahnen können, was er einem alles gibt. Und die Begegnung mit den Leuten ist immer spannend geblieben. Deswegen heute Nachmittag auch die Autogrammstunde. Das wollte ich immer. Als ich 14, 15 Jahre alt war, ist dies mein großer Traum gewesen. Ich kannte nur noch nicht die Kontur. Und die sind jetzt klar und weil das so ist, würde ich das immer wieder tun.
Interview mit Peter Maffay

Weitere Artikel

Bürger Bedenken gegen geplante Batterierecyclinganlage bleiben
Bürger Bedenken gegen geplante...
LandesWelle Weihnachtswunder: Leopolds Kampf gegen eine noch unheilbare Krankheit
LandesWelle Weihnachtswunder: Leopolds...
Hier sorgen lebendige Adventkalender für Weihnachtszauber im Ort
Hier sorgen lebendige Adventkalender...
Mehr Artikel

Made with ❤ at zwetschke.de