GEW: Personalsituation in Thüringen besonders eng
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bestätigt diese Situation auch für Thüringen. Referentin Nadine Hübener erklärt im LandesWelle Thüringen-Interview die Lage in den Kindergärten: „Wir haben in allen Einrichtungen Krankheitsfälle. Im besten Fall kombiniert mit Krankheitsfällen der Kinder, heißt: Bei reduzierter Gruppenstärke kann man auch ein bisschen am Personal abknapsen. Im schlechtesten Fall haben wir aber erkrankte Erzieherinnen und volle Gruppen. Also zum Glück gesunde Kinder, die in den Kindergarten gehen möchten und Einrichtungen, die dann sagen, sie müssen wenigstens die Öffnungszeiten reduzieren, um dem Anspruch, die Aufsicht über die Kinder gewährleisten zu können nachzukommen.“
In Thüringen stehen die Einrichtungen laut Hübener vor der besonderen Herausforderung, dass das Personal sehr eng gestrickt ist. Bei jeder erkrankten Erzieherin, bei jeder Fortbildung oder jedem Urlaub führe das dazu, dass die Personaldecke sehr dünn wird, so Hübener weiter. Die hohe Krankheitswelle tut ihr übriges in den Einrichtungen.
Kurzfristige Lösungen nicht möglich – GEW: fordert Kita-Pakt
Kurzfristig ließe sich diese Situation nicht beheben, erklärt Hübener. Mittelfristig denkt die GEW aber schon über mögliche Lösungen nach, die sie unter anderem dem Ministerium vorstellen wollen. „Wir haben im Moment eine Kinderpauschale in den Einrichtungen. Es ist also kindfinanziert. Wir wollen gerne eine Einrichtungsfinanzierung, damit nicht so auf Kante genäht ist. Sondern gesagt werden kann: Wir haben eine Einrichtung mit einer bestimmten Belegungskapazität und egal, ob diese voll ausgelastet ist oder nicht, halten wir ein bestimmtes Personal bereit.“ Das würde solchen Wellen die Spitzen nehmen.
Die Gewerkschaft fordert für die Zukunft einen Kita-Pakt mit dem Ministerium, aber auch mit den Kommunen, um die Bereitschaft zu fördern, Geld auszugeben. „Und zwar nicht nur das, was man die letzten Jahre ausgegeben hat in frühkindliche Bildung, sondern mehr! Dann haben wir die Möglichkeit mehr in Ausbildungen zu investieren und zu werben, dass dieser Beruf von jungen Menschen als attraktiv wahrgenommen wird. Dann haben wir die Chance, solche Personalengpässe in Zukunft zu vermeiden“, erklärt Hübener.
Frühkindliche Bildung schon lange auf der Strecke
Die frühkindliche Bildung bleibe schon lange auf der Strecke, beklagt Hübener. „Vom Bildungs- und Erziehungsauftrag sprechen wir im Moment nicht mehr. Das schaffen die Erzieherinnen nicht mehr. Dafür bleibt überhaupt keine Zeit. Es ist im Moment eine reine Absicherung, dass es den Kindern gut geht und dass ihnen nichts passiert.“
Erzieherin berichtet von hohem Krankenstand
Ähnlich beschreibt Stefanie die derzeitige Situation. Sie ist Erzieherin in einem Kindergarten im Weimarer Land. Seit November ist der Krankenstand so hoch wie nie. Die Hälfte der Stammerzieherinnen fehlt in ihrer Einrichtung. Einrichtungsleiterin und -stellvertreterin müssen in den Gruppen aushelfen. Die Öffnungszeiten müssen trotzdem eingeschränkt werden.
Für manche Eltern nachvollziehbar, aber nicht für alle, erklärt Stefanie im LandesWelle Thüringen-Interview: „Es gibt einige Eltern, die sind sehr verständnisvoll. Die können sich auch in die Lage reinversetzen. Und dann gibt es natürlich auch Eltern, die nur ihre Situation sehen und ihre Fehltage auf Arbeit.“
Sie als Erzieherinnen sind am Limit und das schon lange führt sie aus: „Dadurch dass man auch immer im Stress ist und gebraucht wird, merkt man nicht, dass man krank ist und eine Pause bräuchte. Na klar, die Mehrarbeit macht uns zu schaffen. Da sind die Erzieherinnen am Limit!“
Frühkindliche Bildungsangebot sind deshalb auch bei ihr Mangelware: „Das kommt in letzter Zeit oft zu kurz, weil die Kindergärten so ausgelastet sind, dass es schwierig ist, jeden Tag vielfältige pädagogische Angebote zu geben.“
Job ist Berufung und nicht Beruf
Trotz allem liebt sie ihren Job, denn er ist mehr als nur ein Beruf, er ist Berufung. Und deshalb suchen sie immer nach Lösungen. „Das Wohl der Kinder steht an oberster Stelle. Wir gucken, dass wir den Betreuungsschlüssel aufrechterhalten können. Alles andere wäre grob fahrlässig. Da kommt erstmal die Verlängerung der Dienste, dann gucken wir, dass wir Gruppen zusammenlegen können.“
Landeselternvertretung erinnert an den Rechtsanspruch – eine Rückerstattung ist kaum möglich
„Kita-Kollaps ist sicher nicht ganz an den Haaren herbeigezogen“, so beschreibt auch Mirco Trippens, stellvertretender Landeselternsprecher der Kindergärten Thüringen, die Situation in Thüringen. Auf die Frage, was die Eltern im Falle einer Schließung tun können, erklärt Trippens, dass es schwierig ist, die Elternbeiträge zurückzuerstatten. Träger und Bildungsministerium berufen sich dabei auf das Urteil eines Oberverwaltungsgerichts aus einem anderen Bundesland, das geurteilt hat, dass zeitweise Schließungen nicht zu einer Rückerstattung führen müssen. Erst längere Schließungen ab einem Monat führen zu einer Rückerstattung.
Allerdings weißt Trippens darauf hin, dass es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gibt, den die Eltern beim Jugendamt ihrer Gemeinde, Stadt oder des Landkreises geltend machen können. „Die müssen am Ende dafür sorgen, dass mein Kind betreut wird, wenn ich es nötig habe, eben weil ich arbeiten muss. Die Gemeinden müssen dann gucken wie sie es machen. Entweder dem Kind einen anderen Platz zur Verfügung zu stellen, eine Tagesmutter organisieren. Oder es gab auch schon ein Urteil dazu – leider noch nicht in Thüringen – dass eine Gemeinde den Lohnausfall erstatten musste", so Trippens.