Diesen Vorwürfen muss sich schon seit Monaten die Kita „Zwergenland“ in Nimritz im Saale-Orla-Kreis stellen. Zwei Ex-Erzieherinnen der Einrichtung hatten Anfang April zwei andere Erzieherinnen angezeigt. Sie sollen die Kinder angeschrieen, hart angefasst und vor anderen herabgewürdigt haben. Peter Graetsch, Bürgermeister von Nimritz, bezeichnet diese Vorwürfe als „haltlos“.
Thüringer Bildungsministerium legt nach Untersuchung Beschluss vor
Das Thüringer Bildungsministerium untersuchte den Fall „schnell, gründlich und konsequent“, wie uns Staatssekretärin Gabi Ohler am LandesWelle-Telefon versicherte. Die Konsequenz: per Beschluss wurde den beiden Erzieherinnen untersagt, weiter mit den Kindern zu arbeiten. „Das ist auch keine Kündigung. […] Der Kindergarten könnte weiter offen bleiben. Also wir haben nicht die Betriebserlaubnis eingezogen. Es müssten dann also zwei andere Erzieherinnen gefunden werden. Diese wurden dem Bürgermeister aber auch schon von der VG Oppurg angeboten“, so Ohler weiter.
Ersatz-Erzieherinnen sind für Eltern und Kita keine Lösung
Diese Übergangslösung wird von der Kita „Zwergenland“ auch angenommen. Zwei neue Erzieherinnen betreuen die Kinder in der Einrichtung seit ein paar Wochen. Eine Lösung, die auch für die Eltern aber nur eine bedingte ist: „Bedingt, weil wir nicht nur wollen, dass es irgendwie weitergeht. Wir haben vollstes Vertrauen zu diesen Erzieherinnen, das muss ich einfach ganz klar so sagen. Es gab nie irgendeinen Zweifel. Es war immer eine offene Form der Kommunikation, die hier stattfindet und deshalb steht das hier für mich außer Diskussion“, sagte die Mutter eines vierjährigen Mädchens im LandesWelle-Interview vor Ort.
Kritik an der Untersuchungsarbeit
Bürgermeister Peter Graetsch kritisiert die Untersuchungsarbeit: „Das Jugendamt war nicht hier, aber sie haben angerufen und gefragt, was los ist. Es gab viele Telefonate hin und her, aber eine örtliche Untersuchung mit Anhörung der Beschuldigten oder Eltern fand nicht statt.“
Nach Anfrage von LandesWelle Thüringen äußerte sich das Landratsamt Saale-Orla-Kreis schriftlich zu dem Vorwurf:
„Es ist keineswegs zutreffend, dass das Jugendamt nicht in der Kindereinrichtung gewesen sei.„Papa, warum fragst du so komische Sachen?"
Zunächst gibt es regelmäßige Kontakte des Jugendamtes mit den Kindereinrichtungen des Kreises bzgl. der Vermittlung des Thüringer Bildungsplanes. Es werden regelmäßig Weiterbildungen angeboten bzw. Fortbildungen in so genannten Quick-Modulen; auch dem gemeindlichen Kindergarten Nimritz. Es finden regelmäßig Beratungen mit den Leitungen der Kindereinrichtungen des Kreises statt. Leider jeweils mit seltener Beteiligung der betreffenden Einrichtung.
Bereits Ende vergangenen Jahres gab es – nach ersten Hinweisen zu Kindeswohlgefährdungen bzw. Fragen zur angewandten Erziehungsmethodik – vor Ort in Nimritz Gespräche zwischen einer Fachberaterin des Jugendamtes für Kindergärten im Saale-Orla-Kreis und der Kinderschutzfachkraft des Jugendamtes mit der Leitung der Einrichtung.
Handlungs-/Beratungs- oder Fortbildungsbedarf wurde in dem Kindergarten jedoch nicht gesehen.
Ein weiteres anberaumtes Gespräch mit den Fachberaterinnen in diesem Frühjahr war durch die Einrichtung kurzfristig abgesagt worden.
Als schließlich schriftliche Hinweise in Form von Protokollen und mehrere Aussagen von Zeugen bzgl. Gefährdungen des Kindeswohls vorlagen, erfolgte die Mitteilung des Jugendamtes an das zuständige Ministerium und damit die Übergabe der Angelegenheit an die Fachaufsicht in Erfurt. In die Entscheidungen des Ministeriums war das Jugendamt nicht einbezogen. Anhörungen fanden seitens der Fachaufsicht mit den Mitarbeiterinnen, der Gemeinde als Träger des Kindergartens sowie Elternvertretern statt.“
Die Eltern, deren Kinder in die Kita „Zwergenland“ gehen, zeigen sich solidarisch mit den Erzieherinnen. Sie haben eine Petition gestartet, mit der sie die Erzieherinnen wieder als solche in ihrer Einrichtung arbeiten lassen wollen.
Und: Sie wollen den Vorwürfen nicht ungefragt glauben und haben sich ihr eigenes Bild gemacht. Einer davon ist Stefan Comolle: „Ich habe mit einer der anschuldigenden Erzieherinnen gesprochen, hab mir mein Bild daraus gemacht. Habe auch mit der Leiterin gesprochen. Habe auch mit den angeschuldigten Erzieherinnen gesprochen und konnte für meine Familie und mich feststellen, dass das nicht haltbar ist, was hier im Raume steht.“
Natürlich hat er auch mit seinen Töchtern gesprochen: „Wir haben viel gefragt. Wir haben auch anders gefragt als sonst und versucht zu hinterfragen, um an Informationen ranzukommen. Und da kam eher die Frage: ‚Papa, warum fragst du so komische Sachen?‘“
Kita-Leiterin Diana Zillig zeigt sich enttäuscht: „Man findet keine Worte dafür. Denn: Sie sind nie gekommen, auch nicht zu mir. Haben auch nicht zu mir das Gespräch gesucht. Es kam alles ganz überraschend, wie für den Bürgermeister auch. Ich kann das alles nicht verstehen. Ich verstehe die Hintergründe auch nicht.“
Liegt das Problem beim Konzept?
Die Mehrheit der Eltern steht hinter den beschuldigten Erzieherinnen – und auch hinter dem Konzept, das die Kita verfolgt. Dieses sieht einen strukturierten Tagesablauf vor und ist nicht so frei wie mittlerweile in vielen anderen Einrichtungen. Eltern, die ihre Kinder im „Zwergenland“ abgeben, tun dies aber bewusst. Vater Matthias Schein: „Das Konzept hier im Kindergarten […] ist mit dem Träger der Einrichtung, der Gemeinde, abgestimmt, mit der Elternschaft abgestimmt, mit dem gewählten Organ des Elternbeirates abgestimmt. Das war ein Grund, warum wir uns ganz bewusst für diesen Kindergarten entschieden haben.“
Auch Stefan Comolle, der eigentlich gar nicht aus Thüringen stammt, hat für seine Kinder die Kita „Zwergenland“ bewusst ausgesucht: „Wir haben zwei Töchter hier in der Einrichtung und die gehen jeden Tag gerne hin.“
Gemeinde hat Klage gegen den Ministeriumsbescheid eingelegt
Die Gemeinde Nimritz und zwei Kindergärtnerinnen des „Zwergenlandes“ haben beim Verwaltungsgericht Gera Klagen gegen den Beschluss des Thüringer Bildungsministeriums eingereicht. Die Zielsetzung hierbei ist klar, Nimritz‘ Bürgermeister Peter Graetsch: „Wir wollen erreichen, dass dieser Bescheid zurückgenommen wird und die zwei Beschuldigten wieder hier arbeiten.“ Im Regelfall ziehen sich solche Verwaltungsgerichtsentscheidungen aber über Monate hin, weshalb der Übergangsbetrieb erstmal weiterläuft.