„Es ist nicht mehr lebenswert hier in Weida“
Mit diesen drastischen Worten beschreibt Karin Zeng-Neupert im LandesWelle-Interview die Situation in ihrem Wohnort. Die unangenehmen Gerüche, die sich dort breit machen, reichen von faulen Eiern bis hin zu Exkrementen. Dieses Problem belastet die Bürgerinnen und Bürger so sehr, dass manche sogar über Übelkeit und Kopfschmerzen klagen. Aber auch den restlichen Alltag beeinträchtigt der Geruch, so könne man in Weida beispielsweise nicht mehr ohne weiteres Lüften oder die Wäsche draußen zum Trocknen aufhängen.Jetzt scheint sich der Gestank in den letzten Tagen noch weiter intensiviert zu haben. Karin Zeng-Neupert berichtet:
„Es hat im Moment einen extremen Höhepunkt erreicht und unsere Schmerzgrenze ist überschritten. Seit 2017 kämpfen wir aktiv und mittlerweile geht es an die Substanz.“2017 hat sich in Weida um Karin Zeng-Neupert eine Initiative mit dem Namen „Die Optimisten“ formiert, um gegen das Geruchsproblem vorzugehen. Gemeinsam möchten sie den Druck auf die zuständigen Stellen erhöhen. Seit ihrer Gründung haben sie bereits viel unternommen, so haben sie im Jahr 2017 die Bevölkerung zum ersten Mal dazu aufgerufen, Geruchstagebuch zu führen. In diesem Tagebuch sollte der Ort, die Zeit und die Art der Geruchsbelästigung festgehalten werden. Somit sollte es leichter werden, die Ursache ausfindig zu machen. Die Auswertung wurde dann an das Landratsamt weitergeleitet. Außerdem sprachen sie bereits im Petitionsausschuss des Thüringer Landtags vor, um Gelder für ein externes Gutachten zu bekommen.
Die verschiedenen Interpretationen des Gutachtens
Im Sommer 2018 fanden dann umfangreiche Geruchsmessungen in Weida statt. Dafür hatte das Land Thüringen eine sechsstellige Summe bereitgestellt. Wann, wo und wie der Geruch in der Stadt auftritt, sollte sowohl von technischen Messanlagen als auch von menschlichen Spürnasen festgehalten werden. Das Ergebnis dieses unabhängigen Gutachtens liegt Karin Zeng-Neupert vor:
„Es wurde damals auch im Bürgerhaus öffentlich vorgestellt. Es ist dort festgestellt worden, dass dieser Gestank von der Gerberei kommt. Der Abwasserzweckverband war mit diesem Gutachten erst einmal raus.“Das Gutachten brachte aber keine Ruhe in den Ort. Jaspar Schalkwijk, technischer Manager bei Proleather und zuständig für die Lederwerke in Weida, hält das Ergebnis des Gutachtens im LandesWelle – Interview für nicht so eindeutig:
Dass die Lederwerke alleine für die Geruchsentwicklung in Weida verantwortlich sind, ist für Jasper Schalkwijk nicht vorstellbar. Der Verarbeitungsprozess habe sich seit 20 Jahren nicht geändert. Er sieht die Ursache für den Geruch in der Kanalisation: 2015, in dem Jahr, in dem das Geruchsproblem zum ersten Mal verstärkt aufgetreten ist, sei der örtliche Campingplatz an die Kanalisation angeschlossen worden. Der technische Manager kann sich vorstellen, dass sich an manchen Stellen in der Kanalisation die Fäkalien von dem Campingplatz absetzen und bei größeren Kanalspülungen dann den unangenehmen Geruch erzeugen.„Als das Gutachten auf der Bürgersitzung veröffentlicht wurde, wurde bereits in die Richtung gedeutet, dass wir schuldig sind. Allerdings steht im Fazit letztendlich, dass ein eindeutiger Schuldnachweis nicht möglich ist.
Neue Auflagen wurden bisher noch nicht umgesetzt
Nach den neuen Messungen hat die Lederfabrik weitere Auflagen vom Landratsamt Greiz erhalten. Diese beinhalten unter anderem die Installation eines Biofilters. Umsetzungsfristen wurden aber nicht eingehalten. Nun hat die Gerberei Widerspruch gegen einen Teil der Auflagen eingereicht. Dieser wurde allerdings vom Landratsamt abgelehnt.„Der Biofilter ist zu 80 Prozent bezahlt, der ist auch fertig, das Problem ist nur, dass ich keinen finde, der uns die Fundamentplatte macht, um den Biofilter zu installieren.“– Jaspar Schalkwijk
Karin Zeng-Neupert bezeichnet dieses Vorgehen als „Spiel“ und hat das Gefühl gegen Windmühlen anzukämpfen.
Der Konflikt: Oft werden lange Gespräche mit allen Parteien geführt, in denen Zusagen gemacht werden, aber im Endeffekt fehlt die Lösung, die das Problem letztendlich beseitigen würde. Erschwerend kommt hinzu, dass der Geruch nicht permanent und immer am gleichen Ort vorhanden ist.
Wie es weitergehen wird…
Die Lederwerke werden nach eigenen Angaben den Biofilter schnellstmöglich in Betrieb nehmen, danach sieht Jasper Schalkwijk sie aber nicht mehr in der Verantwortung:„Wir werden jetzt die Auflagen erfüllen, die von uns verlangt werden und ich hoffe, dass dann Ruhe ist, aber ich befürchte, dass das nicht der Fall sein wird. Wir werden also den Biofilter installieren, aber die Gerüche werden weiterhin in Weida vorhanden sein, solange die Kanalisation nicht richtig angegangen wird.“Die Bürgerinnen und Bürger wollen weiterhin dran bleiben und in engem Kontakt mit dem Bürgermeister gegen das Geruchsproblem vorgehen. Außerdem werden sie auch weiterhin jede Geruchsbelästigung dem Landratsamt und der Umweltbehörde melden. Karin Zeng-Neupert hofft, dass der Druck, den die Bürgerinnen und Bürger auf Grund der erhöhten Geruchsbelästigung ausüben, die beteiligten Parteien aufrüttelt:
„Es sind sehr, sehr viele Bürger in der Stadt Weida, die sagen: ‚Bis hierher und nicht weiter!‘“Manche Bürger sind vor kurzem sogar bis vor das Gericht gegangen und haben Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen die Gerberei eingereicht. Die Initiative „die Optimisten“ sieht nun auch die Politik in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das „Katz-und-Maus-Spiel“ ein Ende hat und die Gerberei die Auflagen erfüllt.
Auch Jasper Schalkwijk wünscht sich ein baldiges Ende des Konflikts und der Geruchsbelästigung:
„Ich verstehe die Bürger, dass die – auf Deutsch gesagt – die Schnauze voll haben, weil sich nichts ändert und es nach wie vor stinkt.“Bisher hat sich die Geruchssituation in Weida noch nicht verbessert, ob der neue Biofilter der Lederwerke für eine Verbesserung der Luftqualität sorgen wird, wird sich zeigen.