"Ich bin nicht der Vollstrecker des Innenministers" - Eichsfelder Landrat plädiert für mehr Unterstützung des Landes

Der Landkreis Eichsfeld hat einen Mietvertrag für eine Halle in Leinefelde, in der 150 Flüchtlinge aus der Ukraine unterkommen sollten, wieder zurückgezogen. In Einvernehmen mit dem Vermieter sei der Vertrag für die leerstehende und beheizbare Halle aufgehoben worden, sagte ein Sprecher des Landratsamts am Dienstag.

Die Gründe für die Kündigung des Vertrages schlagen nun hohe politische Wellen. "Vor einem halben Jahr wären wir gar nicht auf die Idee gekommen, solch eine Halle als Unterkunft anzumieten. Als vor einem viertel bis halben Jahr die ersten die Überlegungen in die Richtung gingen, große Hallen anzumieten, hab ich das weit von mir gewiesen - erst recht nicht in einem Wohngebiet", erklärt der Eichsfelder Landrat Werner Henning (CDU). "Einen solchen Mietvertrag gemacht zu haben, ist Ausdruck einer ungemeinen Not in der Verbindung mit einer Hoffnung, es möge doch gut gehen, aber es ist nicht gut gegangen."

Innenminister bietet Gespräche zu Sicherheitskonzept an 


Henning nennt es "unangenehme Töne", die aus der Bevölkerung kamen, andere nennen es handfeste Drohungen, die nach Bekanntwerden der Pläne für die Unterkunft eingingen. "Die eigentliche Tatsache ist eine viel tiefere". sagt Henning. "Die Menschen sagen, diese Belastungen sind sie nicht mehr bereit zu ertragen. In der Peripherie hat sich eine böse Stimmungslage entwickelt - gerade in Leinefelde sehen wir derzeit jeden Montag einige Tausend Menschen auf der Straße sehen. Und jemandem wie mir sitzt ganz tief in den Knochen, dass bei mir einmal eine Flüchtlingsunterkunft gebrannt hat."

Thüringens Innemninister Georg Maier bot Gespräche über ein Sicherheitskonzept an. Anfeindungen und Menschen, die Hass und Hetze im Internet verbreiteten, dürfte nicht nachgegeben werden. Die Mehrheit der Menschen in Thüringen stehe für die Unterstützung von Kriegsflüchtlingen. "Wir machen uns aber generell Gedanken darüber, wie wir solche Einrichtungen besser schützen können", sagte Maier gegenüber der dpa. 

"Henning: Brauchen verlässliche Zusagen und Unterstützung


Werner Henning geht es jedoch nicht nur um die Sicherheitslage. Er sieht sich und seine Mitarbeiter zwischen den Fronten aufgerieben und fordert mehr Unterstützung und verbindliche Zusagen, statt vager Vertröstungen vom Land. "Jetzt nur ein einem polizeilichen Tonfall zu sagen, das sind alles ganz böse Menschen hier, das ist falsch! Man muss respektvoll zur Kenntnis nehmen, dass der Bevölkerung ungemein viel zugemutet wird und man kann das nicht einfach abwehren, in dem man meint, der Landrat oder der Landkreis müsste alles durchsetzen - ich bin nicht der Vollstrecker des Innenministers", plädiert Werner Henning. 

Wie der Eichsfeldkreis stoßen derzeit viele Kommunen nach eigenen Angaben an Kapazitätsgrenzen bei der Unterbringung Geflüchteter. So reisten in Sonneberg am Dienstag rund 50 Geflüchtete eigenständig an, wie der Beigeordnete des Landrats, Christian Tanzmeier, berichtete. Sie seien vom Landkreis mit einem Bus in die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl gebracht worden, «denn wir haben de facto keine Möglichkeit mehr, Menschen unterzubringen». Der Wohnungsmarkt sei leegefegt. Es fehle an Erstaufnahmeeinrichtungen vom Land.

Nach Angaben des Landesverwaltungsamtes wurden bisher rund 29 400 Flüchtlinge aus der Ukraine in Thüringen aufgenommen. Immer wieder meldeten sich Kommunen zeitweise ab, weil sie keine Unterbringungskapazität hätten. 

(red/mit dpa)

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