Geisterfahrer - So verhalten Sie sich richtig!

Es ist die Horrorvorstellung für Autofahrer schlechthin: Sie fahren auf der Autobahn und es fährt Ihnen ein Geister oder Falschfahrer entgegen. In den letzten Wochen gab es in Thüringen mehrere Geisterfahrer auf den Autobahnen. Am 04. Januar 2023 kostete eine Falschfahrt zwei Menschen auf der A4 bei Meerane das Leben.
Geisterfahrer sind ein unvorhersehbares Risiko im Straßenverkehr, doch wie und wo entstehen Geisterfahrten überhaupt? Und was tue ich, wenn mir ein Falschfahrer entgegenkommt oder ich selbst als Falschfahrer unterwegs bin? Wir haben die wichtigsten Tipps für Sie zusammengestellt.
 

Die meisten Falschfahrten passieren unbeabsichtigt


Auffällig häufig beginnen Geisterfahrten an Anschlussstellen, Autobahnkreuzen oder am Beginn einer Autobahn, wenn diese aus einer Land- oder Schnellstraße heraus entsteht. Nicht immer steckt eine Absicht dahinter, erklärt auch Cornelius Blanke, Sprecher vom ADAC Hessen-Thüringen: „Das kann durchaus mal passieren. Bei ganz schlechter Sicht oder wenn ich abgelenkt bin vom Handy oder weil ich eine emotionale Diskussion am Handy führe. Auch Menschen, die sagen: ‚Das kann mir nie passieren!‘“

Ursachen für Geisterfahrten können deshalb zum Beispiel sein:

  • unübersichtliche Beschilderung
  • Unachtsamkeit
  • starke Sichtbehinderungen, beispielsweise durch schlechtes Wetter

Empfindliche Strafen drohen


Leider kommen auch immer wieder Suizidversuche vor, die in einer Falschfahrt enden. Wird mit Absicht in die falsche Richtung gefahren, kommen auf den Fahrer ernste Konsequenzen zu, denn Falschfahren ist eine Straftat nach §315c StGB. Als Strafen sind eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder empfindliche Geldstrafen vorgesehen. Die Höhe der Strafe richtet sich nach dem Vorsatz der Tat. Wer durch Unachtsamkeit falsch auffährt, wird geringer bestraft, als jemand, der dies mit voller Absicht, beispielsweise als Mutprobe, tut. Auf den Führerscheinbesitz hat eine Geisterfahrt auch Einfluss: Je nach Gefährdung kann der Führerschein bis zu drei Monate oder auch länger als sechs Monate entzogen werden.

Tipps: Das tun Sie, wenn Ihnen ein Falschfahrer entgegenkommt


Die Nachricht im LandesWelle-Verkehr lässt so ziemlich allen Autofahrern das Herz in die Hose rutschen: „Achtung, Geisterfahrer auf der Autobahn!“ Doch wie sollen Sie sich nun verhalten?

1 Rechten Fahrstreifen benutzen


Fahren Sie immer rechts. Geisterfahrer versuchen meist aus Gewohnheit ebenfalls rechts zu fahren. Damit können Sie sich gegenseitig schützen. „Wenn alle rechts fahren, kann der, der als Falschfahrer von vorne kommt, hat er genug Fläche, wo er fahren kann. Wenn er aber kommt und hat quasi die Entgegenkommenden rechts und links und in der Mitte, dann kann er gar nicht ausweichen. Da kann ich ihm helfen, indem ich ein oder zwei Spuren freihalte und rechts fahre oder anhalte. Dann hat er genug Platz um zu fahren. So kann ich ihm und allen anderen Fahrern helfen“, erklärt Blanke die Empfehlung des Rechtsfahrens.

2 Nicht überholen!


Vermeiden Sie es, andere Verkehrsteilnehmer zu überholen. Das erhöht die Unfallgefahr. Alle Fahrer sind aufmerksamer als sonst, überraschende Überholvorgänge können deshalb erschrecken oder irritieren. Halten Sie auch ausreichend Abstand zum Vorfahrenden.

3 Langsam fahren oder anhalten


Reduzieren Sie die Geschwindigkeit. Dadurch haben Sie im Ernstfall etwas mehr Zeit, um zu reagieren, wenn Ihnen ein Falschfahrer entgegenkommt. Cornelius Blanke rät außerdem: „Was ich auf jeden Fall machen würde: Den nächsten Parkplatz, die nächste Abfahrt oder die nächste Möglichkeit rechts ranzufahren, nutzen. Dort warten. Und zwar so lange, bis im Radio gesagt wird, dass der Falschfahrer weg ist.“

Aussteigen sollten Sie in dieser Situation nur rechts. Nehmen Sie sich eine Rettungsweste und stellen Sie sich hinter die Leitplanke.

4 Beleuchtung einschalten


Schalten Sie die Beleuchtung und auch die Warnblinkanlage an. Dann wissen andere Verkehrsteilnehmer, dass eine Gefährdungssituation besteht und der Falschfahrer kann Sie besser und eher sehen.

5 Immer informiert bleiben


„Erstmal ist es wichtig, dass das Radio eingeschaltet ist und man den Verkehrsfunk hört“, sagt Cornelius Blanke. Das aktuelle Verkehrsgeschehen lässt sich am besten über das Radio verfolgen. Die Moderatoren informieren sofort über Falschfahrer, sodass Sie wissen, ob Sie gefährdet sind.

Tipps: Hilfe, ich fahre in die falsche Richtung!


Sollten Sie selber in die Situation kommen, in der falschen Richtung unterwegs zu sein, gilt als erstes einen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn das in der aktuellen Situation nicht einfach ist. Anschließend helfen folgende Tipps:

1 Bloß nicht wenden!


Der erste Impuls ist: Wenden, um wieder in der richtigen Richtung unterwegs zu sein. Durch das Wendemanöver werden Sie aber langsam, stoppen im schlimmsten Fall, und gefährden so sich und andere Verkehrsteilnehmer, die zum Teil mit sehr hohen Geschwindigkeiten unterwegs sind und nicht mehr schnell genug reagieren können. Die Folge sind Unfälle.

2 Am Rand stehenbleiben


Fahren Sie nicht weiter, sondern stellen Sie Ihr Fahrzeug so schnell wie möglich ganz weit am Rand an der Leitplanke ab. „Bringen Sie sich sofort in Sicherheit. Steigen Sie zu der Seite, wo die Schutzplanke ist, aus, ziehen Sie die Warnweste an und warten Sie hinter der Schutzplanke. Dann sollte ich sofort die Polizei über den Notruf 110 informieren und um Hilfe bitten“, beschriebt Cornelius Blanke das beste Vorgehen.

3 Warnblinker an


Auch hier gilt wieder: Sichtbar machen! Stellen Sie die Warnblinker an, um entgegenkommende Fahrzeuge auf sich aufmerksam zu machen. Dazu sind Sie auch rechtlich verpflichtet.

4 Auf Hilfe warten


Bringen Sie sich selbst in Sicherheit und warten Sie hinter der Leitplanke auf Hilfe.

5 Lassen Sie sich nicht ablenken!


Die meisten Geisterfahrten passieren aus Unachtsamkeit. Prüfen Sie also vor Fahrtantritt, ob Sie ausgeschlafen und fit genug für die Fahrt sind. Hören Sie nicht zu laut Musik oder Radio, das Sie ablenkt. Versuchen Sie es ebenfalls zu vermeiden, während der Fahrt zu telefonieren oder technische Geräte zu bedienen.

August und Dezember sind Schwerpunktmonate - klare Tendenz beim Geschlecht


Auf das Jahr gesehen passieren in den Monaten August und Dezember die meisten Geisterfahrten. Im März und Mai liegen die Zahlen unter dem Durchschnitt.
Guckt man auf die Wochentage, passieren Geisterfahrten oft am Wochenende. Das Risiko einem Falschfahrer zu begegnen ist am Samstag und Sonntag vor allem in den Abend- und Nachtstunden gegeben.

Außerdem gibt es eine klare Tendenz beim Geschlecht: „Unter den Geisterfahrern sind rund drei Viertel männlich“, sagt Cornelius Blanke.

Bilder bleiben für immer im Kopf


Menschen, die einem Geisterfahrer begegnet sind, behalten diese Bilder für immer im Kopf. So auch Lars aus Gera. Er ist einer der letzten, der die 82-jährige Geisterfahrerin bei Meerane am 04. Januar 2023 lebend sieht. Denn er fuhr ihr auf der A4 entgegen.
"Das zieht wie in Zeitlupe an einem vorüber. Man hat auch immer wieder die Bilder im Kopf wie sie an einem vorbeifährt. Dieses Bild hab ich immer wieder vor Augen" (Lars aus Gera beschreibt seine Begegnung mit der Falschfahrerin auf der A4 bei Meerane am 04. Januar 2023)

Der Moment der Begegnung ist irgendwie unwirklich. Lars aus Gera kann ihn immer noch nicht richtig fassen: "In diesem Moment gehen einem tausend Sachen durch den Kopf. Ich war völlig verblüfft. Ich fahr ja nun sehr viel und bin viel auf den deutschen Autobahnen unterwegs und in den ganzen Jahren ist das noch nie passiert."
"Man sitzt da und ist glücklich, dass es an einem vorbeizieht und man nicht erwischt wird." (Lars aus Gera)

Auf dem Rückweg sah er die Unfallstelle und war betroffen: "Das sind Bilder, wenn man dann das Auto sieht wie zertrümmert und zerstört das ist. Das Auto fing ja eigentlich erst bei der Frontscheibe an."
Beim Rückweg hat sich Lars deshalb das Überholen verkniffen. Zu groß war der Schock über das Erlebte.

Infrastruktur auf Autobahnen ist so gut wie möglich

An den Thüringer Autobahnen sind die Möglichkeiten zufällige Geisterfahrten zu verhindern weitestgehend ausgeschöpft. Dafür gibt es zwei thematische Blöcke: bauliche Maßnahmen und die Verkehrstechnik. 
Zu den baulichen Maßnahmen gehört, dass alle Anschlussstellen oder auch Auf- und Abfahrten an Raststätten so gebaut sind, dass es sich aufgrund von Radien oder Verkehrsflächen schon falsch anfühlt auf der falschen Spur zu fahren. Der Verkehr wird dynamisch auf die richtige Richtung gebracht. Im Rahmen der Verkehrstechnik passiert sehr viel im Bezug auf die Beschilderung. Tino Möhring, Pressesprecher der Autobahn GmbH des Bundes, erklärt das folgendermaßen: "Wenn ich mir eine Anschlussstelle nehme: Dann ist es ja so, dass ich durch einen Pfeil auf die richtige Richtung hingewiesen werde. Wenn ich doch auf die Ausfahrt schauen, dann steht dort ein Einfahrt verboten-Schild. Das kommt auch mehrfach vor. Gleichzeitig zeigen auf der Fahrbahn mehrere Pfeile direkt auf mich. Da wird mir mehrfach gezeigt, dass ich hier falsch bin. Dann ist es auch so, dass ich eine durchgezogene Doppellinie habe. Das heißt also, wenn ich eigentlich richtig auffahre, dann schaue ich auf diese Doppellinie, über die ich auch nicht zufällig drüberfahre. Es gibt also verschiedenste optische Hinweise, dass ich falsch fahren würde."

Thüringen ist Tunnelland. In diesen finden noch weitere Kontrollen auf Falschfahrer statt, erklärt Möhring: "Da gibt es schon eine lückenlose Videoüberwachung. Aber sukzessive werden jetzt alle Tunnel, die noch nicht ausgestattet sind, mit einer sogenannten Falschfahrer-Erkennung ausgerüstet. Das ist ein Doppelsystem, wo wir über Induktionsschleifen und den Einsatz von Wärmebildkameras sprechen. [...] Im Tunnel gibt es die Möglichkeit der Ansprache durch die Lautsprecher. Aber klar, der Tunnel würde sofort gesperrt werden. [...] Die Spuren würden entsprechend gesperrt werden, das geht über die LED-Tafeln. Das heißt, man würde den Verkehr entsprechend beruhigen, um nicht zu sagen: ihn zum Stillstand bringen. Und würde natürlich mit dieser Alarmmeldung sofort den Rettungsdienst und die Polizei aktivieren."

Zusammenfassend lässt sich sagen: Baulich und verkehrstechnisch sind alle Anschlussstellen in Thüringen auf dem aktuellen Stand und diese werden auch jährlich überprüft, bzw. im Rahmen der täglichen Streckenkontrollen der Autobahnmeistereien werden diese Punkte täglich kontrolliert. 
"Was heute möglich ist, sind wir mit der Einflussnahme auf zufällige Situationen an einem Limit. Und wir sind auch gemeinsam mit der Autobahnpolizei und anderen Trägern öffentlicher Belange der Auffassung, dass dieser Stand nicht mehr wirklich optimiert werden kann." (Tino Möhring, Sprecher der Autobahn GmbH des Bundes)

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