Drei Wahlgänge erwartet
Der Ablauf der Wahl ist wie bei der letzten: In den ersten beiden Wahlgängen benötigt ein Bewerber um den Ministerpräsidentsposten eine absolute Mehrheit (46 Stimmen). Erst im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit. Wer also die meisten Stimmen hat, wird Ministerpräsident.1. Wahlgang
Im ersten Wahlgang gab es keine Überraschungen. Die Parteien wählten genau so, wie sie es vor der Wahl angekündigt haben. Bodo Ramelow kam auf 42 Stimmen, Björn Höcke auf 22 Stimmen, bei 21 Enthaltungen. Es lässt sich bei einer anonymen Wahl dennoch vermuten, dass Ramelow die Stimmen von Linke, SPD und Grüne (insgesamt 42) und Björn Höcke die kompletten Stimmen seiner Partei (22 Stimmen) erhalten haben könnten. Die FDP ist im 1. Wahlgang noch nicht einmal zur Wahlurne gegangen.2. Wahlgang
Auch beim 2. Wahlgang sind die Abgeordneten der FDP nicht zur Wahl angetreten und demonstrativ sitzen geblieben. Zu Wahl standen abermals Bodo Ramelow und Björn Höcke. Das Ergebnis vom 1. Wahlgang wurde aber lediglich wiederholt. Es kommt zum entscheidenden dritten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit ausreicht. Heißt, wer die meisten Stimmen hat wird neuer Ministerpräsident.3. Wahlgang
Im 3. Wahlgang kommt es zu Überraschung: Björn Höcke zieht seine Kandidatur zurück und tritt nicht noch einmal an. Das heißt: Bodo Ramelow ist der einzige Kandidat. In diesem Wahlgang reichen ihm laut Verfassung „die meisten Stimmen“.
Diese Formulierung führte im Vorherein der ersten Ministerpräsidentenwahl bereits zu offenen Fragen, die vor allem die Thüringer CDU im Nachhinein möglicherweise mit einem Gerichtsverfahren klären lassen wollte. Die Frage: Sind damit die meisten Ja-Stimmen gemeint? Was bedeuten würde, wenn nur ein Kandidat antritt und die Abgeordneten nur mit „Ja“ oder „Enthaltung“ stimmen können, bereits eine Ja-Stimme für diese relative Mehrheit ausreichen würde.
Stimmzettel im dritten Wahlgang angepasst
Um diesen Vorwürfen einen möglichen Boden zu entziehen, wurde der Wahlzettel für den dritten Wahlgang angepasst: Die Abgeordneten konnten mit „Ja“, „Nein“ oder auch „Enthaltung“ stimmen.
Am Ende setzte sich Bodo Ramelow mit 42 Ja-Stimmen gegen 23 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen durch. Er nahm die Wahl an und wurde umgehend vereidigt.
Eklat nach der Wahl
Traditionell gratulieren die Abgeordneten des Thüringer Landtags ihrem neuen Regierungschef nach der Wahl und der Vereidigung persönlich – mit Handschlag oder auch einem Blumenstrauß. FDP-Fraktionschef und, seit Mittwochnachmittag Ex-Ministerpräsident, Thomas Kemmerich, dem Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow nach seiner Wahl vor vier Wochen, den Blumenstrauß vor die Füße warf, überreichte seinerseits die Blumen an Bodo Ramelow.Zum Eklat kam es an anderer Stelle: AfD-Fraktions- und Landeschef Björn Höcke ging nach der Wahl auf Bodo Ramelow zu, sagte ein paar Worte und reichte dem neuen Ministerpräsidenten die Hand. Dieser verweigerte jedoch den Handschlag. Es folgte eine längere Diskussion der beiden Politiker.
In seiner ersten Rede als nun Wieder-Ministerpräsident greift Ramelow das auf uns sagt: „Herr Höcke, ich bin erst dann bereit, Ihnen die Hand zu geben, wenn Sie bereit sind, die Demokratie zu verteidigen.“ Weiterhin kritisierte er die AfD scharf und rief wiederum an Höcke gerichtet: „Sie treten die Demokratie mit Füßen“.
Reaktionen nach der Wahl
Die Reaktionen auf die Wahl von Bodo Ramelow als Ministerpräsident von Thüringen fielen erwartbar gemischt aus. Thüringens Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow zeigte sich erleichtert: "Wir haben vier harte Wochen hinter uns wie alle Thüringer*innen. [...] Wir haben jetzt mit Bodo Ramelow wieder eine stabile Regierung und [...] Thüringen ist wieder regiert." Kritik übt sie stattdessen an der FDP-Fraktion, die an der Wahl gar nicht erst teilnahm, sondern währenddessen auf ihren Sitzen blieb.
"Ich finde das ist der Partei, die dieses Desaster in Thüringen angerichtet hat, nicht zusteht, sich in irgendeiner Form dieser Abstimmung zu entziehen." (Susanne Hennig-Wellsow über das Verhalten der FDP bei der Ministerpräsidentenwahl 2.0)
Hennig-Wellsow weiter: "Ich finde, die FDP muss darüber nachdenken, ob sie überhaupt noch zu Wahlen antritt, wenn sie nicht in der Lage ist zum einen, diese Entscheidung zurückzuholen und sich dann auch in aller Größe daran zu beteiligen, den Schaden an der Demokratie auch zu beheben."
Ex-Ministerpräsident und FDP-Fraktionsvorsitzender Thomas L. Kemmerich rechtfertigt das Wahlverhalten seiner Fraktion folgendermaßen: "Für uns das klarste Mittel zu zeigen, dass wir keinen Kandidaten der Linken und keinen Kandidaten der AfD gewählt haben, war, die Ausübung des Mandates so vorzunehmen, dass wir an der Wahlhandlung nicht teilgenommen haben. Und in sofern klar gesagt haben: Wir haben weder Herrn Ramelow noch Herrn Höcke gewählt."
Auch jetzt wieder Innenminister Georg Maier atmet auf, weiß aber, dass die letzten vier Wochen auch eine Art Lehrstück waren: "Es ist gut, dass wir in Thüringen wieder eine handlungsfähige Regierung haben, aber wir müssen auch unseren Lehren daraus ziehen."
Neu-CDU-Fraktionsvorsitzender Mario Voigt erklärte nach der Wahl noch einmal das Verhalten seiner Fraktion, die sich in allen Wahlgängen fast komplett enthalten hatte - lediglich im dritten Wahlgang stimmte einer der Abgeordneten mit "Nein", statt "Enthaltung": "Ich glaube, dass Parlamentarier dafür gewählt sind, Verantwortung zu übernehmen. Für uns als CDU-Fraktion bedeutete das heute, uns zu enthalten. Deshalb haben wir das heute gemacht." Die Rolle der CDU sieht Voigt als konstruktive Opposition: "Wir werden eigenständig Anträge einbringen, werden unsere Schwerpunktthemen, Thüringer Schulfrieden, mehr Finanzen für unsere Kommunen, mehr Sicherheit auf der Straße, vorbringen. Dann werden wir schauen, dass wir im Thüringer Parlament dafür eben auch eine parlamentarische Mehrheit suchen."
Thüringens AfD-Fraktions- und Landeschef Björn Höcke, der in Ramelows Antrittsrede scharf kritisiert wurde, schlug seinerseits nach der Wahl zurück: "Hier entsteht gerade eine neue SED und ich kann nur an alle CDU-Mitglieder in Thüringen appellieren, jetzt in sich zu gehen und zu überlegen, ob diese CDU, die einen FDP-Ministerpräsidenten abserviert, durch den Druck aus Berlin und den Druck der Kanzlerin - und dafür einen SED-Ministerpräsidenten ins Amt hievt, noch ihre politische Heimat sein kann."
Minister anschließend vereidigt
Kurz nach seiner Wiederwahl benannte Bodo Ramelow sein Kabinett.- Thüringens-SPD-Chef Wolfgang Tiefensee und die Grünen-Abgeordnete Anja Siegesmund sind die Stellvertreter des Ministerpräsidenten.
- Wolfgang Tiefensee bleibt weiterhin Wirtschaftsminister.
- Anja Siegesmund bleibt auch in der Zeit der Übergangsregierung Umweltministerin.
- Grünen-Politiker Dirk Adams ist neu im Kabinett als Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.
- Das Infrastruktur- und Agrarministerium wird durch Benjamin Immanuel Hoff von den Linken geführt.
- Birgit Keller (Linke), die frühere Agrarministerin, ist seit November Landtagspräsidentin.
- Die restlichen Ministerien sollen wie zuvor verteilt bleiben:
- Innenminister bleibt Georg Maier (SPD).
- Heike Taubert (SPD) bleibt Finanzministerin.
- Helmut Holter (Linke) übernimmt wieder das Bildungsministerium.
- Heike Werner (Linke) führt das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie.