Alibi-Agentur – Ausreden gegen Bezahlung

Ob Affäre, unerwünschter Familienbesuch oder ein schlüpfriger Job – nicht alle Geheimnisse wollen wir preisgeben. Manche wollen wir sogar ganz bewusst geheim halten. Eine Agentur aus Bremen kümmert sich professionell um die Erstellung von Alibis. Und das schon seit über zwei Jahrzehnten.

Ausredenagentur, Lügenagentur oder auch Alibiagentur – das alles sind Begriffe, die für Stefan Eiben Firma verwendet werden. Laut seiner Homepage trifft es für ihn der Begriff „Freiraummanager“ eher.
Er und seine Mitarbeiter schaffen wasserdichte Ausreden oder erschaffen Doppelleben, die jahre- und jahrzehntelang funktionieren.

„Das längste Doppelleben ist seit über 20 Jahren, das der Herr führt – und nach wie vor mit uns führt.“ (Stefan Eiben im LandesWelle Thüringen-Interview)

In den mittlerweile 24 Jahren Firmengeschichte hat Eiben, laut eigenen Aussagen, zehntausenden Klienten geholfen.

Gründe für Kunden: Ruhebedürfnis, Scham oder Krankheit


Seine Kunden sind Männer und Frauen. Die meisten, so Eiben, wollen eigentlich nur Ruhe haben: „Ich will mich nicht rechtfertigen. Ich möchte ein Wochenende einfach mein Ding machen. Ich möchte keine Eifersucht wecken und hab auch nicht mal eine böse Absicht. Aber ich will einfach diese Debatte nicht.“

Die Gründe sind, laut Eiben unterschiedlich: Manche wollen ihren Job verstecken, weil sie beispielsweise in der Sexindustrie arbeiten und Angst haben, sonst vom sozialen Leben ausgeschlossen zu sein. Andere möchten ihre Krankheitsgeschichte für sich behalten. „Da sagt einer: ‚Ich muss in eine Burn Out-Klinik und das soll nicht rauskommen. Ich bin der große Chef, bin angesehen oder hab eine Aktiengesellschaft, und wenn rauskommt, dass ich Burn Out habe, kann das große Probleme mit sich ziehen.‘ Und dann spielen wir hier eine Legende, dass klar ist, dass dieser Herr für Wochen oder Monate nicht in der Firma ist“, erklärt Eiben die Gründe.

Alibis werden individuell angepasst


Doch wie läuft die Konstruktion eines Alibis eigentlich ab? Die potenziellen Kunden wenden sich meistens per E-Mail oder WhatsApp an die Firma. Dann wird besprochen, was die Klienten sich vorstellen: Soll es ein freies Wochenende sein oder wollen die Klienten sich ein Doppelleben aufbauen? Wie genau das Alibi dann aussieht, wird individuell auf den Kunden zugeschnitten, denn „(…) für eine Hausfrau ist die Lösung oft ganz anders als für jemanden, der selbstständig ist oder im Außendienst tätig ist“, so Eiben.
Dabei kommen bei Bedarf auch echte Firmen oder Schauspieler zum Einsatz: „Wir arbeiten mit echten Firmen zusammen. Wir haben mittlerweile über 300 Firmen. Das sind fast 100% ehemaligen Kunden. Und wir greifen auf knapp 2.500 bis 3.000 Schauspieler zurück“, sagt Stefan Eiben.

Wie man sich das vorstellen kann, erklärt Stefan Eiben anhand des Beispiels eines ehemaligen Kunden: „Das war ein Koreaner, der sagte: ‚Meine Eltern kommen nach Deutschland zu Besuch. Und ich arbeite bei einem Automobilhersteller am Fließband und für meine Eltern ist das das unterste. Mein Name würde nicht mehr ausgesprochen werden.‘ Und dem haben wir eine Firma organisiert, wo er mit seinen Eltern hingehen konnte. Wo ein Büro mit seinen Familienfotos eingerichtet war. Die Mitarbeiter der Firma haben ihm die Hand geschüttelt. Und damit war er so glücklich!“

Manche Kunden hinterlassen sogar Verfügungen über den Tod hinweg. Wenn sie beispielsweise ein Doppelleben führen, das schon über mehrere Jahre oder Jahrzehnte geht, bitten sie Stefan Eiben darum, dieses Doppelleben nach dem Tode aufzuklären: „Oder es gibt noch Halbgeschwister und die Person möchte, dass die Halbgeschwister zusammengeführt werden. Sogar so weit werden wir dann tätig.“

Moral wird nicht hinterfragt


Doch es gibt natürlich nicht nur harmlose Gründe, ein Alibi zu wollen. Für Stefan Eiben steht die Moral in der Frage, ob er einen Klienten annimmt oder nicht, aber nicht im Vordergrund, denn „(…) Man gewöhnt es sich ganz schnell ab, sich ein Bild von der Situation eines anderen Menschen zu bilden und ist da absolut tolerant. Der hat schon zwei Hürden in Kauf genommen – uns anzusprechen und Geld zu bezahlen – und das macht keiner, dem das leicht fällt, sondern da sind die Hintergründe oft sehr ernst.“
Eiben erzählte im Interview, dass er so viele Hintergrundgeschichten und Lebensgeschichten gehört habe, in so vielen Familienalben und Krankenakten geblättert habe, dass er am Ende oftmals einfach nur glücklich ist, diesen Menschen zu helfen.

Eine Grenze gibt es aber dennoch: „Wir geben für alles ein Alibi, was legal ist. Aber absolut alles! Und da hinterfragen wir auch nichts und da werden wir auch nichts beurteilen. "Wir lehnen manchmal was ab, wenn wir ein schlechtes Bauchgefühl haben. Jeder, der bei uns am Telefon ist, kann sagen: ‚Dafür sind wir nicht die richtige Agentur.‘ Wenn er einfach ein schlechtes Gefühl beim Kunden hat. Wenn der Kunde sehr aggressiv ist oder sich widerspricht, sehr gestresst klingt“, meint Stefan Eiben.

Je nach Aufwand belaufen sich die Kosten für ein Alibi auf 80€ bis mehrere hundert Euro.

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