Dabei hört man derzeit immer wieder, dass staatliche Maßnahmen greifen würden und der Markt sich - trotz immer noch hohen Energiepreisen - langsam stabilisieren würde. Auch wenn die Gurke, die kurze Zeit mit einem Preis von über drei Euro quasi das Sinnbild der Inflation war, mittlerweile wieder für unter einen Euro angeboten wird, sinken die Preise im Ganzen, wenn überhaupt, nur in ganz kleinen Schritten.
Vorwürfe von Finanz-Experten schlagen Wellen
Das frustriert natürlich, bedenkt man, dass der Handel auf die globalen Preissteigerungen und die Energiekrise quasi über Nacht reagiert hat. Viele Verbraucher, aber auch Experten fragen nun: hält der Handel die Preise künstlich oben, um ein Maximum an Gewinn aus der Inflation zu schlagen?
Beispielsweise nach Einschätzung des Kreditversicherers Allianz-Trade sind die hohen Preise nicht nur auf die gestiegenen Rohstoffkosten und Energiepreise zurückzuführen. Teilweise stiegen die Verbraucherpreise demnach darüber hinaus. „Übermäßige Gewinnmitnahmen“ der Unternehmen hätten spürbar zur Lebensmittelinflation im vergangenen Jahr beigetragen, sagte der Inflationsexperte von Allianz-Trade, Andy Jobst, der Deutschen Presse-Agentur und löste damit eine Welle der Empörung in der Branche aus. Vor allem bei den Lebensmittelproduzenten sehen die Finanz-Experten das Preis-Problem. Im Gegensatz zum Einzelhandel, der 2022 um etwa 12 Prozent die Preise erhöhte, gingen die Lebensmittelhersteller um rund 18 Prozent mit ihren Preisen nach oben.
Lebensmittelhandel: Sind keine Preistreiber!
"Die Vorwürfe sind uns durchaus bekannt, nicht erst seit sie von großen Versicherungen kommen, sondern auch schon länger von der Verbraucherzentrale und anderen Instituten", sagt Christian Böttcher, Sprecher des Bundesverbandes des deutschen Lebensmittelhandels im LandesWelle-Interview. "Das Interessante daran ist immer, es sind in der Regel oft Behauptungen. Man schaut sich Preisentwicklungen an und leitet daraus die Vermutung ab, dass da noch Gewinnmitnahmen sein müssen."
Diese Rechnung sei laut Böttcher aber zu einfach, denn zum einen entstehe bis zu den Verbraucherpreisen eine Art Dominoeffekt der alle Preissteigerungen vom Erzeuger bis hin zum Transporteur mitnimmt. Zum anderen kenne niemand, auch er nicht, die Geschäftskalkulationen der einzelnen Handelsunternehmen. Zwei Unternehmen, die ein Produkt zum gleichen Preis anbieten, machten damit noch lange nicht auch den gleichen Gewinn.
"Ich finde es ohnehin auch schwierig zu beurteilen, ab wann ein Gewinn ein Übergewinn ist oder bis wann man sagt, ein Gewinn ist in der Marktwirtschaft gerechtfertigt. Im Endeffekt muss jedes Unternehmen die Preise so kalkulieren, dass sie sie am Markt durchsetzen kann - und da entscheidet der Wettbewerb", erläutert Böttcher. Zu hohe Preisforderungen würden so schon durch den Markt und den gegenseitigen Wettbewerb um die Kundegunst ausgeglichen.
Verbraucherzentralen fordern mehr Preis-Transparenz
Die Verbraucherzentralen sehen sich unterdessen zunehmend mit dem Frust, aber auch der Hilflosigkeit der Menschen konfrontiert. "Da kommen schon oft Fragen, wie man sich heute noch eine gesunde Ernährung oder einfach die warme Mahlzeit noch leisten soll", berichtet Luise Hoffmann von der Verbraucherzentrale Erfurt. Während man hier gegen falsche Preiskennzeichnungen, fehlende Grundpreise und Mogelpackungen Mittel und Wege kennt, sind die Verbraucherschützer bei den inflationsbedingten Preissteigerungen auch machtlos.
"Wir können nur an die Wirtschaft appellieren, unnötige Mitnahmen zu unterlassen und nicht noch zu versuchen im Zuge der Preissteigerungstendenzen noch zusätzliche Gewinne abzuschöpfen. An die Politik haben wir dagegen den Wunsch, dass Lebensmittelpreise transparenter werden", so Hoffmann. Es sei auch für die Verbraucherschützer momentan einfach schwer zu beurteilen, wie Preise im einzelnen zustande kommen. So könne besser geprüft werden, ob und wann Preissteigerungen tatsächlich gerechtfertigt sind. Außerdem solle es mehr und bessere Kontrollen bei den versteckten Preissteigerungen geben, so der Wunsch der Verbraucherzentrale.
(anw)