Widerstand von Eltern, Angehörigen und Erziehern
Gegen diese Pläne regt sich in der Stadt breiter Widerstand. Eine Online-Petition des Kindergartens "Benjamin Blümchen", bei dem es aber um alle betroffenen Kindergärten geht, hat bereits mehr als 2000 Unterschriften für den Erhalt der Kindergärten gesammelt. Mittlerweile gibt es auch eine eigene Homepage, auf der sich Eltern informieren können. Kindergartenleiter René Schwarz vom Kindergarten "Benjamin Blümchen" beschreibt den Moment, als ihm sein Träger mitteilte, dass seine Einrichtung schließen soll als "schlechten Scherz": "Weil es für mich absolut nicht nachvollziehbar ist, warum unser Kindergarten schließen soll. Wir sind seit Jahrzehnten eine renommierte Einrichtung. Wir sind voll. Wir sind auch über die nächsten Jahren voll besetzt. Unsere Planungszahlen stimmen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht." Dabei kann er das Problem, das die Stadt hat durchaus nachvollziehen. Allerdings fehle es ihm an Alternativlösungen: "Man kann das ganze doch auch mal als Chance sehen. Die Häuser werden zunehmend leerer. Lasst uns doch jetzt die Gelegenheit nutzen, konstruktiv zu schauen, wie wir die gute pädagogische Arbeit weiter voran bringen können und auch die Rahmenbedingungen anzupassen."
Was René Schwarz in der ganzen Diskussion zu kurz kommt, sind die Kinder. Die helfen im "Benjamin Blümchen" tatkräftig mit, Transparente und Aushänge zu gestalten. Weil sie es wollen, nicht weil sie dazu getrieben werden, so Schwarz.
"Wir reden immer von Partizipation. Die fehlt mir hier gänzlich. Wir reden von Beteiligung der Kinder. Wo ist die denn an der Stelle?" (Kindergartenleiter René Schwarz über die Rolle der Kinder in der Diskussion um die Schließungen)
(Foto: Der Kindergarten "Benjamin Blümchen" zeigt sich mit selbst gestalteten Transparenten kämpferisch.)
Auch die Eltern in Weimar geben sich kämpferisch. Veit Zein, Elternteil und Elternbeiratsvorsitzender der Eltern vom "Benjamin Blümchen" erklärt, dass auch schon Aktionen gegen geplante Schließungen geplant sind: die Online-Petition laufe sehr gut und auch eine Demonstration sei geplant. Unter den Hashtags #wirsindweimar und #we2403 wird am 24.03.2023 ab 16:30 Uhr für den Erhalt der Kindergärten demonstriert. Treffpunkt ist am Rathaus. 16:45 Uhr ist eine Kundgebung am Theaterplatz geplant. Besonders schön sei dabei die Solidarität untereinander: "Das ist auch schön zu sehen, dass nicht nur die Elterschaften aus den betroffenen Kindergärten das mittragen und unterstützen, sondern dass da eine ganz große Gemeinschaft in Weimar entsteht, die das ganze mit unterstützt. Und die auch die Notwendigkeit sieht, die Vielfalt an Kindergärten und die Vielfalt an Möglichkeiten in den Kindergärten, die geboten werden, die verschiedenen Konzepte, die nutzbar wären, zu erhalten."
Unterstützt werden die betroffenen Kindergärten und die Eltern vom Weimarer Stadtelternbeirat der Kitakinder (Stakkie). Dessen Vorsitzender Jan Knobeloch sagt dazu: "Wir lehnen die Schließung der Kindergärten grundsätzlich ab. Wir sind uns da zu 100 Prozent einig, dass wir das nicht akzeptieren und alle möglichen Schritte gehen werden, um die Schließungen zu verhindern." Knobeloch betont, dass die Schließungen noch nicht beschlossen worden seien, vorher wolle man beispielsweise noch in die Diskussion mit der Stadt gehen. Ihm ist wichtig, dass Eltern sich nicht abschrecken lassen und Kinder aus Angst vor einer Schließung eventuell gar nicht mehr in den betreffenden Kindergärten angemeldet werden.
Kirsten: Schließungsvorschläge sollen als Diskussionsgrundlage dienen
Dass die Schließung der drei Kindergärten noch keine beschossene Sache ist, räumt auch Ralf Kirsten, Bürgermeister und 1. Beigeordneter der Stadt Weimar ein. "Der Vorschlag ist aufgrund der Bedarfsplanung der Stadt für die Kindergartenplätze im Raum. Das ist aber eine 100 Prozent-Lösung aus Verwaltungssicht", erklärt Kirsten und fügt hinzu: "Der Prozess der Diskussion beginnt jetzt in dem Gremium 'Unterausschuss Kindergarten'. Wenn wir andere Ideen entwickeln können, die diese Problemlagen abmildern oder lösen, dann werden wir uns denen auch zuwenden."
Sollte die letzte Lösung aber eine Reduzierung der Kindergartenplätze durch Einrichtungsschließungen sein, dann mahnt Kirsten zur Solidarität: " Wir haben von vornherein gesagt, die Ortsteile werden nicht betroffen sein und auch kleine Kindergärten mit nur wenigen Betreuungsplätzen werden nicht betroffen sein. Wir wollen die Vielfalt in der Kindergartenlandschaft erhalten und wir müssen auch besonders in den Neubaugebieten schauen, dass wir die Angebote dort erhalten um der Segregation vorzubeugen."
Eltern, deren Kinder jetzt im Kindergarten sind, müssten sich laut Kirsten aber in dieser Hinsicht keine Gedanken über eine Schließung machen, da man hier über einen Prozess über Jahre hinweg spreche. "Wenn Ihre Kinder jetzt im Kindergarten sind, dann können sie von diesem Kindergarten auch auf die Schule wechseln", verspricht der Bürgermeister.
Gewerkschaft fordert Umdenken bei Finanzierungskonzepten
Dem Stakkie geht es jedoch auch um die grundsätzliche und langfristige Entwicklung der Kinderbetreuung in Weimar. Unterstützung kommt in diesem Fall von der GEW Thüringen. "Wir vergeben mit Schließungen auch Möglichkeiten die Kitas weiterzuentwickeln", sagt Ralf Jungnickel, Referatsleitung frühkindliche Bildung und Sozialpädagogik bei der GEW. "Wir diskutieren schon lange darüber, die Qualität in den Kindertageseinrichtungen zu verbessern und wir hätten jetzt bei stagnierenden bis rückläufigen Geburtenzahlen die Möglichkeit, andere pädagogische Konzepte zu probieren und die Betreuungsschlüssel zu verbessern. Wir sehen allerdings auch, dass das unter den jetzigen Rahmenbedingungen der Kita-Finanzierung schwierig wird."
Einrichtungen, die einmal weg seien, kämen auch nicht wieder, gibt der Gewerkschafter zu bedenken. "Langfristig müssen wir dahin kommen, dass wir Kita-Finanzierungen umstellen, um von vornherein Möglichkeiten zu geben, solche Schließungen zu vermeiden", sagt Jungnickel. Wenn frühkindliche Bildung zu einer Frage der Wirtschaftlichkeit werde, müssen man sich der Frage stellen ob das System der Finanzierung noch zeitgemäß ist, oder ob man nicht grundlegend andere Ansätze finden müsse.
Kinderzahlen sollen langfristig fallen
Laut einem Bericht des Bildungsministeriums vom Dezember 2022 wird es in Thüringen in den kommenden 20 Jahren etwa 20.000 zu betreuende Kinder weniger in Kindergärten geben. Am stärksten betroffen sind die Stadt Suhl und der Saale-Orla-Kreis, wo die Zahl der Kindergartenkinder um rund 30 Prozent sinken wird. In Erfurt, Jena, Gera oder Eisenach sollen es bis zu 15 Prozent weniger zu betreuende Kinder sein, in Weimar 18 Prozent.